Es war um das Jahr 2000 als André Wiesler mir das erste Mal eine Mail schrieb. »Gutes Ding. Es müssen noch ein paar Kleinigkeiten geändert werden. Markierungen im Text.«
Zwei Wochen vorher hatte ich dem Rollenspiel-Fanzine Envoyer einen Artikel gemailt, über Äpfel im Rollenspiel. Ich war begeistert über die schnelle Antwort und das positive Feedback. Freudig öffnete ich die angehängte Word-Datei – das ganze verdammte Ding war rot unterstrichen.
Später erzählte mir André, dass einer der Hauptgründe, mich erst fester an den Envoyer gebunden und mich dann ins Lodlandteam geholt zu haben, war, dass ich diesen ersten Artikel ohne zu jammern, zu murren oder nachzufragen überarbeitet und einen Tag später wieder eingeschickt habe. Er verstand sich selbst als Schreibsöldner (zumindest damals). Zu den Dingen die er nicht mochte gehörte prätentiöses Künstlergehabe und Autoren, die zu sehr in ihre Texte verliebt waren.
André Wiesler war praktisch, ein Anpacker und Macher – der einem mit wenigen Worten klar machte, wenn etwas nicht ging und der einem Wege und Welten eröffnete, wenn etwas ging. Lange Zeit hatte er über seinem Schreibtisch einen Zettel kleben »Niemals Aufgeben, niemals Kapitulieren«. Der Zettel gefiel mir nicht. Er drückte für mich eine Weltsicht aus, die das Leben als Kampf wahrnahm. André wirkte für mich nicht wie jemand der mit sich oder anderen kämpfen musste. Er war (schon bevor er mit seiner Frau einen Sohn bekam) ein Autorenpapa, ein Projektvater, ein Entdecker, Vernetzer und Förderer.
Er war jemand der einen Spätabends noch zum Bahnhof brachte und mit einem auf den Zug wartete. Wir erfanden Witze zum Zeitvertreib auf dem Bahnsteig. Umso lustiger, weil unser Humor verschieden war. (Er war besser darin, kein Wunder der Mann hatte unter anderem für RTL Samstag Nacht geschrieben.) Einer der einen in seine Familie hinein ließ, zu Pokerabenden einlud und einem selbstgemachte Burger vorsetzte und einer, der einem deutlich machen konnte, dass er einen Text zu einem bestimmten Datum erwartete.
Wir konnten uns hervorragend über das Autorenhandwerk unterhalten. Er machte mich zum ersten Mal mit Mindsets beim Schreiben, roten Knöpfen bei Abenteuern, show don´t tell und kill your loved one bekannt. Vor allem seine Ideen zu Mindsets habe ich in meinen späteren Beruf als Therapeut hinein getragen und sie mit Konzepten wie Ego States und Persönlichkeitsanteile verknüpft. Ganz besonderen Dank dafür André.
Wir arbeiteten in einem großen Team an Lodland, schrieben gemeinsam das DSA-Abenteuer Imuhar und ich durfte seine ersten Romane testlesen. Was habe ich mich gefreut dem Meister ein paar überflüssige Adverbien, um die Ohren zu schlagen.
Während ich mein Studium beendete und Schreiben und Rollenspielen in den Hintergrund rückte, ging André seinen Weg als Kreativer und Projektumsetzer weiter. In den letzten Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen, selten mal eine Mail geschickt. Anfang 2017 begann ich einen Shadowrunroman zu schreiben, dabei dachte ich oft an meine Autorenlehre bei André gedacht. Ich hätte gerne Danke gesagt für alles was er mir beigebracht hat. Ach verdammt ich hatte mir sogar ausgemalt wie wir zusammen auf einem Autorenpanel sitzen. Was hätten wir für einen Spaß gehabt.
André Wiesler starb am 23.11.2017 plötzlich und unerwartet. Mein Beileid gilt seiner Frau und seinem Sohn.
Als selbstständiger Künstler war André, seine Frau und sein Sohn nur schlecht abgesichert. Bei vielen Künstlern steckt das Geld in den nächsten Projekten. Deswegen wurde für Andrés Familie ein Spendenkonto eingerichtet. Danke für eure Unterstützung.
„Spendenkonto Andre Wiesler“
IBAN: DE32 3705 0198 1934 1252 28
SWIFT für Auslandsüberweisungen: COLSDE33
(Spendenquittungen können leider keine ausgestellt werden. Das Finanzamt erkennt Spenden auch an, wenn sie auf dem Kontoauszug zu erkennen ist.)